Das ENSO-Phänomen

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ENSO-Lexikon

Sardellen

Fischart, zur Familie der Heringsfische gehörend mit 15 Gattungen und etwa 100 Arten, u.a. die vor Chile und Peru gefangene Südamerikanische (Peruanische) Sardelle (Engraulis ringens). Häufig wird für die Südamerikanische Sardelle der Name Anchovis verwendet, eine Bezeichnung, die für die Europäische Sardelle üblich ist.

Sardellen haben einen schlanken, maximal 20 cm langen Körper mit rundem Querschnitt. Die Oberseite ist grünlich bis bläulich, die Unterseite und die Seiten sind wie beim Hering silbrig gefärbt. Charakteristisch ist das große, unterständige Maul mit stark vorspringendem Oberkiefer.

Sardellen leben in den Küstengebieten verschiedener tropischer und gemäßigter Meere, wo sie sich meist von tierischem Plankton ernähren. Manche Arten trifft man auch im Süß- oder Brackwasser an. Aufgrund ihres Massenauftretens haben Sardellen erhebliche wirtschaftliche Bedeutung, u. a. hinsichtlich der Herstellung von Fischmehl und -öl.

Anchovies

Anchovies

Die lateinische Klassifizierung der peruanischen Sardellen ist Engraulis ringens (Jenyns, 1842). Wie kaum eine andere Spezies auf der Erde (sicherlich nicht Ihr durchschnittlicher Homo) verfügt die Sardellenart über ein erstaunliches und tiefes instinktives Wissen über das Auf und Ab der El Niño Southern Oscillation. Man könnte die Anchovis durchaus als "ENSO-Fisch" bezeichnen. Die Wanderungen, die Verbreitung und Ansammlung sowie die Jahr für Jahr auftretenden Hoch- und Tiefststände der Biomasse bei der Sardellenfischerei im östlichen Pazifik vor Peru sind mit einer exquisiten Empfindlichkeit gegenüber ENSO abgestimmt.

Quelle: Climate Etc

Die Peruanische Sardelle

Die vor der gesamten peruanischen und dem nördlichen Teil der chilenischen Küste beheimatete Peruanische Sardelle kommt innerhalb von 80 km vor der Küste, aber gelegentlich auch bis zu 160 km entfernt vor. Sardellen bilden riesige Schulen, hauptsächlich in Oberflächengewässern. Hier profitieren sie von dem mit dem Humboldt-Strom aufsteigenden nährstoffreichen Wasser, das zu einem außerordentlich großen Planktonvorkommen führt. Dieses Plankton, vornehmlich Kieselalgen (98 %), aber auch Copepoden, Euphausiiden, Fischeiern und Dinoflagellaten dient als Nahrungsgrundlage für mehrere Millionen Individuen umfassende Schwärme.

Die Sardellen sind Filtrierer wie ein Mini-Wal, der mit offenem Mund schwimmt. Dies ist der Schlüssel zu ihrem großen Erfolg bei der Nutzung der massiven Planktonproduktivität des äquatorialen Ostpazifiks vor der Küste Perus. Sie sind die archetypischen pelagischen Filtrierer.

Sie brüten das ganze Jahr über an der gesamten Küste Perus, mit einer starken Laichzeit im Winter/Frühling (August bis September). Eine geringere Laichzeit tritt im Sommer (Februar und März) und das ganze Jahr über vor Chile auf; mit Spitzen im Winter (Mai bis Juli) sowie gegen Ende des Frühlings (besonders im Dezember). Die Sardelle erreicht etwa 8 bis 9 cm Länge in 5 bis 6 Monaten, 10 cm in 12 Monaten und 12 cm in 18 Monaten. Bei einer Lebenserwartung von ca. drei Jahren kann sie ihr Maximum von 20 cm erreichen.

Die Peruanische Sardelle ist ein wichtiger Fisch für die Weltwirtschaft und für die Ernährung der meisten von uns. Sie ist die weltweit größte einzelne Fischerei nach angelandeter Tonnage und ein Hauptbestandteil von Fischmehl, das ein wichtiges Futtermittel für Zuchtfische und Landtiere ist. Man kann sie sogar direkt als Pizzabestandteil bestellen (z.B. die Pizza "Napoli"). Den Hintergrund finden Sie in der Wikipedia.

Mal mehr, mal weniger

Interessant ist die Entwicklung der Peruanischen Sardelle (Engraulis ringens). Bezogen auf die Fangmenge, ist sie der weltweit wichtigste Fisch. Jährlich werden ca. 3,1 - 8,3 Mio. t gefangen (2007-2017, FAO FIGIS).

Der Fang wird zu großen Teilen zu Fischmehl und Fischöl verarbeitet, das in Aquakulturbetrieben an größere Zuchtfische verfüttert wird. Die größte Fangmenge aller Zeiten wurde 1971 mit rund 13 Millionen Tonnen erreicht. Heute entspräche das einem Viertel des weltweiten Fischfangs – sofern man die Fänge anderer Meerestiere wie etwa Muscheln oder Tintenfische nicht berücksichtigt.

Die Bestände brachen in den 1980er Jahren auf etwa ein Zehntel dieser Rekordfangmenge ein; nicht allein wegen der intensiven Befischung, sondern vermutlich auch, weil aufgrund des Klimaphänomens El Niño die Nahrung ausgeblieben war. In ausgeprägten El Niño-Jahren sinken durch den Anstieg der Wassertemperatur (auf bis zu 29 °C, normal 14 – 23 °C) die Fangraten massiv. Da besonders in solchen Jahren die Bestände der Sardellen schnell überfischt werden können, hat der peruanische Staat ein umfangreiches Überwachungsprogramm zur nachhaltigen Nutzung etabliert. Dieses reguliert u. a. die Fanglizenzen, Fangzeiten und die zugelassenen Höchstfang- und Beifangmengen. Dabei spielt die satellitengestützte Überwachung der Fischerboote, die Erfassung der täglichen Fangmengen sowie die Identifizierung der Artenzusammensetzung mit der jeweiligen Fischgröße eine entscheidende Rolle (die Durchschnittsgröße der Sardellen wird bspw. verwendet, um den Anteil der Jungfische zu berechnen). Diese Daten werden täglich aktualisiert. Die hohen Fangzahlen haben die peruanische Regierung auch dazu bewogen, die Verwertung der Peruanischen Sardelle als Lebensmittel gezielt zu fördern, allerdings mit mäßigem Erfolg. Wurden 2010 noch 120 t Sardellen von der Lebensmittelindustrie verarbeitet, waren es 2011 nur noch 100 t. (Aquakulturinfo).

Nach dem Tief in den 80er Jahren erholten sich die Bestände wieder. 1994 wurde mit 12,5 Millionen Tonnen ein neuer Jahresrekord erreicht. Seit 2004 nehmen die Fangmengen wieder ab. Auch in diesem Fall ist das vor allem auf das Klimaphänomen El Niño zurückzuführen. Das Beispiel der Sardelle macht deutlich, wie stark Bestände schwanken können. Es zeigt, welche ungeheuren Fischmengen der Mensch dem Meer entnimmt; kommen dann noch ungünstige Umweltbedingungen hinzu, können selbst große Bestände weitgehend dezimiert werden. Das Exempel der Sardelle lehrt aber auch, dass ein Bestand dank der hohen Reproduktionsleistung der Fische schnell wieder wachsen kann. Andere Fischarten und Bestände wiederum können sich weniger schnell von einer Überfischung erholen. (WOR 2)

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