Das ENSO-Phänomen

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ENSO-Lexikon

Dendrochronologie

Von griech. dendron = Baum, chronos = Zeit, logos = Lehre; eine Datierungsmethode der Geowissenschaften, der Archäologie, der Kunstwissenschaft und der Dendroökologie, bei der die Jahresringe von Bäumen anhand ihrer unterschiedlichen Breite einer bestimmten, bekannten Wachstumszeit zugeordnet werden. Sie erlaubt die absolute stratigraphische Altersbestimmung von Ablagerungen, Bauwerken und Artefakten innerhalb der jüngsten Erdgeschichte. Die von dem Amerikaner A.E. Douglass (1867-1962) entwickelte und 1929 publizierte Methode fußt auf Auszählung und Vergleich der Jahresringe von fossilen und rezenten Bäumen. Sie nutzt verschiedene voraussetzende Prinzipien wie den Aktualismusansatz, um verläßliche Ergebnisse zu erhalten. Darunter versteht man, daß heute dieselben biologischen, chemischen und physikalischen Gesetzmäßigkeiten gelten wie in der Vergangenheit.

Klimatische Schwankungen während der Lebenszeit des Baumes (Regenmenge, Temperatur etc.) spiegeln sich in Breite und Dichte der jeweiligen Jahres-Zuwachsringe wider. Jahresringe aus Jahren mit guten Wachstumsbedingungen sind breiter als solche aus Jahren mit schlechten Lebensbedingungen. Da für alle Bäume einer Art in einem bestimmten Gebiet die Lebensbedingungen annähernd gleich sind, weisen alle Bäume einer Art dieser Region etwa die gleiche charakteristische Abfolge von schmalen und breiten Jahresringen auf. Als Proxies sind sie daher - vorbehaltlich des Ausschlusses rein regionaler Störfaktoren - ein charakteristischer und vergleichbarer Parameter (Dendroklimatologie).

Die Anwendungsmöglichkeit der Dendrochronologie ist sehr stark abhängig von regionalen klimatischen Gegebenheiten. So lassen die ausgeprägten Jahreszeiten der gemäßigten und kühleren Klimate vielfach ausgezeichnete Ergebnisse zu. Für Mitteleuropa gelang über die Analyse von Mooreichen die Erstellung einer Dendrochronologie der letzten 10.000 Jahre. Das homogenere Klima der tropisch-subtropischen Regionen verhindert dagegen weitgehend die Ausbildung charakteristischer Schwankungen im Bau der Jahresringe, zumindest in unteren Höhenlagen, wohingegen größere Höhen brauchbare Proben liefern.

Für die Probenahme werden zunächst aus lebenden Bäumen Bohrkerne gewonnen, weitergehend aus verbautem (Gebäude, Brücken, Brunnen usw.) und fossilem (z.B. aus Mooren geborgenem) Holz. Aus der Mittelung vieler Proben (Standorteinflüsse!) und mit Korrektur des Alterstrends entstehen durch „Cross Dating“ die Dendro-Zeitreihen, die Rekonstruktion eines 'endlosen Baumes' aus der Gegenwart zurück in die Vergangenheit.

Probenahme mit einem Handbohrer

dendro_probenahme

Bohrkern, fixiert auf einem Holzträger

dendro_probe

Markus Kochbeck, Leiter des Baumringlabors am Geographischen Institut der Universität Mainz, führt vor, wie eine Holzprobe aus einem Baum entnommen wird. Dazu setzt er einen Kernbohrer auf einen Baumstamm auf. Der sieht aus wie ein Rohr und wird per Hand gedreht. Eine Lanze dient dazu, den Bohrkern hinterher aus dem Rohr zu holen. Der Bohrkern sieht aus wie ein geringelter Bleistift und ist etwa einen halben Zentimeter dick. Jeder Ring markiert ein Lebensjahr des Baumes. Als nächstes leimt Kochbeck den Bohrkern auf einen Holzträger und glättet ihn dann mit einem Spezialhobel: Alle Jahrringe werden deutlich sichtbar.
Als nächstes kommt der Bohrkern unter ein Stereomikroskop, das an einen sogenannten X-Tisch gekoppelt ist. Der Tisch ist mit einer Elektronik versehen, und über die Bewegung des Tisches wird der Jahresring vermessen. Auf diese Weise erzeugt der Wissenschaftler eine Kurve: Auf der X-Achse sind die Jahre aufgelistet und auf der Y-Achse die Baumringweiten in Millimetern. Quelle: DW

Im Bereich der Geowissenschaften findet die Dendrochronologie Anwendung bei der Datierung holozäner Sedimente von Seen, Flüssen, Mooren oder Bergrutschen. Wesentlich bedeutender ist allerdings der Nutzen für die Archäologie im Rahmen der Altersbestimmung historischer und prähistorischer Gebäude und Geländefunde.

Die Dendrochronologie geht in der Naturwissenschaft weit über die Funktion eines reinen Instruments zur Altersbestimmung von Holz hinaus. So können für die Neuzeit auch anhand der Verknüpfung von Klimadaten mit den Jahrringchronologien Klima-Wachstums-Korrelationen hergeleitet werden, welche die Reaktion der Bäume auf Umwelteinflüsse in Einjahres-Auflösung dokumentieren. Ein Aufgabenfeld dieser Ausrichtung der Dendrochronologie besteht darin, Prognosen für das Wachstum von Bäumen und somit für das Ökosystem Wald bei sich verändernden Klimabedingungen zu liefern. Da das individuelle Wachstum von Bäumen aber neben den Klimaeinflüssen von vielen anderen Faktoren wie zum Beispiel Alterstrend, anthropogenen Einflüssen, Konkurrenz, Autokorrelation, Rauschen oder anderem abhängt, müssen diese so erst heraus gerechnet werden. Dafür bedient sich die Dendrochronologie eines umfangreichen Instrumentariums an mathematischen Methoden.

Die Dendrochronologie liefert auch Eichkurven für die Radiokarbonmethode, indem dendrochronologisch bestimmtes Holz radiokarbondatiert wird. Für die Zeit vor Beginn der wissenschaftlichen Wettermessungen (ab 1850), aus der kaum zuverlässige Daten zur Verfügung stehen, wird die Dendrochronologie selbst als indirektes Klimaarchiv herangezogen.

Eine Ergänzung zur Dendrochronologie ist die Dendroanalytik, welche die Identifizierung und Quantifizierung von Stoffen wie zum Beispiel Schwermetallen in den Jahrringen ermöglicht.

Wissenschaftler des GFZ Potsdam ermittelten Sauerstoffisotope in Jahrringen als hervorragendes Archiv der Niederschlagsdynamik im tropischen Amazonasgebiet. Die präzise Bestimmung der Verhältnisse der stabilen Sauerstoff-Isotope (18O/16O) erweist sich als neuer Parameter für die Erfassung der Dynamik des Wasserkreislaufs in tropischen Regenwaldgebieten und kann damit die in tropischen Gebieten für hochwertige Rekonstruktionen der Klimaverhältnisse ungeeigneten klassischen Messgrößen, wie Jahrringbreite oder Holzdichte ersetzen.

Der Bezug zu ENSO

Die Vorhersagemöglichkeit ob ENSO sich im Zusammenhang mit der globalen Erwärmung ändert, ist von großer Bedeutung für die menschliche Gesellschaft. ENSO besitzt eine beträchtliche natürliche Variabilität in Zeitskalen, die Jahrzehnte bis Jahrhunderte umfassen. Instrumentelle Wetteraufzeichnungen sind zu kurz, um beurteilen zu können, ob ENSO sich geändert hat, und bestehende Rekonstruktionen sind häufig ohne geeignete Aufzeichnungen aus den Tropen zusammengestellt.

Die Einbeziehung von Proxydaten aus den Tropen erlaubt es Wissenschaftlern, eine beispiellose Genauigkeit zu erzielen. Diese wird gestützt durch hohe Korrelationen mit Daten von Korallen aus dem äquatorialen Pazifik und passenden globalen Telekonnektionen, die im Einklang stehen mit einer separat durchgeführten Temperaturrekonstruktion für die nördliche Hemisphäre.

Eine in Nature Climate Change (Juli 2013) veröffentlichte Studie untersucht die ENSO-Muster der zurückliegenden Dekaden und die einer jahrhundertelangen Zeitreihe und ihre Auswirkungen auf Jahresringe von Bäumen. Der Leitautor Jinbao Li untersuchte eine sieben Jahrhunderte lange ENSO-Rekonstruktion, die auf der Untersuchung von 2.222 Baumringchronologien basiert. Die entsprechenden Proben stammen aus den Mittelbreiten und aus den Tropen beider Hemisphären. Die Proben tropischer Herkunft wurden überwiegend in größeren Höhen gewonnen, da dort die Jahrringgrenzen deutlicher ausgeprägt sind als im Tiefland mit homogenerem Temperaturgang. In El Niño-Jahren wachsen in bestimmten Gebieten breitere Baumringe als in El Niño-freien Jahren, in denen dann die Ringbreite schmaler ist.

Die Proxydaten dieser Untersuchung zeigen, dass ENSO im späten 20. Jh. ungewöhnlich aktiv war, wenn man die Daten der 700 Jahre betrachtet. Dies legt die Annahme nahe, dass das ENSO-Phänomen auf die ablaufende Klimaerwärmung reagiert.

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Studie befasst sich mit El Niño und Baumringen

Eine 2013 veröffentlichte Studie untersucht die ENSO-Muster der zurück-liegenden Dekaden und die einer jahrhundertelangen Zeitreihe und ihre Auswirkungen auf Jahresringe von Bäumen.

Der Leitautor Jinbao Li untersuchte eine sieben Jahrhunderte lange ENSO-Rekonstruktion, die auf der Untersuchung von 2.222 Baumringchronologien basiert. Die entsprechenden Proben stammen aus den Mittelbreiten und aus den Tropen beider Hemisphären.

In El Niño-Jahren wachsen in bestimmten Gebieten breitere Baumringe als in El Niño-freien Jahren. Die Proxydaten dieser Untersuchung zeigen, dass ENSO im späten 20. Jh. ungewöhnlich aktiv war, wenn man die Daten der 700 Jahre betrachtet. Dies legt die Annahme nahe, dass das ENSO-Phänomen auf die ablaufende Klimaerwärmung reagiert.

Quelle: RMetS
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