Das ENSO-Phänomen

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ENSO-Lexikon

Proxydaten

Auch Proxy oder Proxy-Klimaindikator; dies sind näherungsweise Daten über hydrologische und meteorologische Bedingungen in historischen und prähistorischen Zeiten, die unter Anwendung physikalischer und biophysikalischer Methoden aus der Analyse von lokalen Datenquellen, den Proxies gewonnen werden. Solche Indikatoren für Paläoklima sind Eisbohrkerne, Pollen, Warven, Baumringe, Speläotheme, Eigenschaften von Korallen, Hinweise auf Gletscherstände, historische Quellenangaben, Ernteertragszahlen, phänologische Phasen, Vereisungs- und Hochwasserangaben, Zerfallseigenschaften von Isotopen. Meist wird bei der Analyse nach dem Prinzip des Aktualismus verfahren.

Zeitlicher Bereich und potentieller Informationsgehalt von paläoklimatischen Proxies
Proxy-Typ Proben-
Intervall
(min.)
Zeitbereich
(Einheit: a)
Temp. Niederschlag
oder Wasserbilanz
Chem. Zusam-
mensetzung
(Luft oder Wasser)
Biomasse
oder Vegetation
Vulkan-
ausbrüche
Meeres-
spiegel
Sonnen-
Aktivität
Historische Aufzeichnungen d/h ~103 X X X X X X X
Baumringe a/Jahreszeit ~104 X X 0 X X 0 X
Seesedimente a - 20 a ~104~106 X X 0 X X 0 0
Korallen a ~104 X X X 0 0 X 0
Eisbohrkerne a ~5 X 105 X X X X X 0 X
Pollen 20 a ~105 X X 0 X 0 0 0
Speleotheme 100 a ~5 X 105 X X X 0 0 0 0
Löss 100 a ~106 0 X 0 X 0 0 0
Geomorphologische Charakteristika 100 a ~106 X X 0 0 X X 0
Meeressedimente 500 a ~107 X X X X X X 0
Quelle: NOAA (übersetzt)

Proxydaten werden zu Zeitreihen aufbereitet und mit statistischen Methoden kalibriert, d. h. zu Klimaparametern (Hilfsgrößen) in Beziehung gesetzt. Zeitreihen aus natürlichen Archiven reichen Tausende, ja Hunderttausende von Jahren in die Vergangenheit zurück. Ihr zeitliches Auflösungsvermögen ist jedoch für historische Klimawirkungsforschung unzureichend, die auf zeitlich hoch aufgelöste jahreszeitliche oder monatliche Daten angewiesen ist. Wesentlich größere Bedeutung kommt diesbezüglich den frühinstrumentellen Messreihen der Temperatur und des Niederschlags zu, die von Meteorologen aufgearbeitet und homogenisiert, d. h. mit den späteren Messungen vergleichbar gemacht worden sind. Die längste dieser Messreihen, jene von Zentralengland, reicht bis ins Jahr 1659 zurück.

Für die Daten aus den Archiven der Gesellschaft hat sich seit einigen Jahren der Begriff documentary data eingebürgert. Der Begriff des Dokuments für diese Quellengattung ist insofern gut geeignet, als er neben Text- auch Bild- und Tondokumente einschließt. Wer genau hinsieht, kann außerdem Informationen über das Klimageschehen in alten Karten, Plänen, Zeichnungen und Gemälden finden - man denke nur an die Winterszenen auf den Gemälden von Pieter Breughel d.Ä. aus dem 16. Jahrhundert oder an Jahreszeitenbilder, auf denen erstmals im 14. Jahrhundert realistisch Schnee dargestellt wurde.

„Proxi“ war ursprünglich ein Etikett, das Klimatologen den biotischen Aufzeichnungen wie Pollen gaben, weil daraus das Klima nur approximativ, also annähernd zu ermitteln ist.

Bei der Verwendung von Proxies sind verschiedene Einschränkungen zu beachten: Jede Art von Proxy repräsentiert einzigartige Signale aus verschiedenen Regionen der Welt (Tropen gegenüber Extra-Tropen) und Umweltkontexten (terrestrische gegenüber maritime Bedingungen), die ergänzende Informationen zur Untersuchung der umfassenden Charakteristik von ENSO-Signaturen ermöglichen. Die Beschränkungen und Verzerrungen der einzelnen Proxys sind ziemlich gut verstanden. Dazu gehören unter anderem Unterschiede in der zeitliche Auflösung (saisonal-jährlich) und Einschränkungen der zeitlichen Abdeckung; sie reichen von ein paar Jahrhunderten bei Korallen und historischen Dokumenten, zu Tausenden von Jahren für die Baumring- und Eiskernsequenzen. Darüber hinaus ist eine Aufzeichnung von Klima-Proxies typischerweise nur für ein bestimmtes Jahreszeitenfenster geeignet, sie erfasst selten mehr als 50% der instrumentellen Varianz und ist in der Regel nicht in der Lage, Varianz über eine Reihe von Häufigkeitsbereichen hinweg gleichermaßen gut zu erkennen.

Trotz ihrer Grenzen sind Rekonstruktionen des vergangenen Klimas einzigartig in ihrer Fähigkeit, einen langfristigen Kontext für die Bewertung des Klimawandels des 20. Jahrhunderts zu schaffen. Die außergewöhnliche Natur von ENSO Ende des 20. Jahrhunderts ist offensichtlich. Die Hochphase der La Niña-Aktivität fand im 16. und 19. Jahrhundert statt, während das 20. Jahrhundert als die Hochphase der El Niño-Aktivität identifiziert wird. Insgesamt finden 55% der seit 1525 n. Chr. rekonstruierten Jahre mit extremen El Niño-Ereignisssen im 20. Jahrhundert statt. Obwohl extreme ENSO- Ereignisse während der gesamten 478-jährigen ENSO-Rekonstruktionsreihe zu beobachten sind, treten etwa 43% der extremen und 28% aller lang anhaltenden ENSO-Ereignisse im 20. Jahrhundert auf.
Besonders hervorzuheben ist, dass allein in der Zeit nach 1940 30% der extremen ENSO-Jahre seit 1525 n. Chr. auftraten. (Gergis & Fowler 2009)

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