Das ENSO-Phänomen

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ENSO-Lexikon

Globale Erwärmung

Auch "Erderwärmung"; Begriff, der in der aktuellen Klimadiskussion üblicherweise den seit Mitte des 19. Jahrhunderts beobachteten Anstieg der Durchschnittstemperatur der bodennahen Atmosphäre und - bei manchen Autoren - auch der Meere bezeichnet. Der berechnete Erwärmungstrend über die letzten 50 Jahre in Höhe von 0,13 °C pro Jahrzehnt (0,10 bis 0,16 °C) ist fast zweimal so groß wie derjenige über die letzten 100 Jahre. Dieser Prozess verläuft erheblich schneller als alle bekannten Erwärmungsphasen der letzten 65 Millionen Jahre (Science).

Aktuelle Situation

Obwohl die globalen Durchschnittstemperaturen durch die La Niña-Ereignisse der Jahre 2020-2022 vorübergehend abgekühlt wurden, war das Jahr 2021 nach sechs führenden internationalen Datensätzen, die von der Weltorganisation für Meteorologie zusammengefasst wurden, immer noch eines der sieben wärmsten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen.

Die globale Durchschnittstemperatur lag 2021 etwa 1,11 (± 0,13) °C über den Werten der vorindustriellen Zeit. Das Pariser Abkommen fordert alle Länder auf, durch konzertierte Klimamaßnahmen und realistische national festgelegte Beiträge - die Pläne der einzelnen Länder, die zur Verlangsamung der Erwärmung umgesetzt werden müssen - eine Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 °C anzustreben.

Seit den 1980er Jahren war jedes Jahrzehnt wärmer als das vorhergehende, so die WMO, und es wird erwartet, dass sich dies fortsetzt.

Die wärmsten sieben Jahre liegen alle seit 2015; die drei wärmsten Jahre sind 2016, 2019 und 2020. Im Jahr 2016 trat ein außergewöhnlich starkes El-Niño-Ereignis auf, das zur rekordverdächtigen Erwärmung des globalen Durchschnitts beitrug.

Globale Mitteltemperatur 1880-2020

Globale Mitteltemperatur 1880-2020

Alle Komponenten des Klimasystems, also Ozean, Land, Atmosphäre, Biosphäre und Eismassen, haben sich in den vergangenen Jahrzehnten deutlich erwärmt — und diese Erwärmung fand praktisch überall auf der Erde statt. Eine Ausnahme, die Abkühlung des subpolaren Atlantiks, wurde von Klimamodellen seit langem vorhergesagt und geht offenbar auf eine Abschwächung des Golfstromsystems zurück.

Eine weitere Ausnahme ist die leichte Abkühlung im Süd-Ozean, deren Ursache noch ungeklärt ist. Das rasante Tempo und die weltweite Gleichzeitigkeit des Temperaturanstieges unterscheiden den heutigen menschengemachten Klimawandel von vorherigen natürlichen Veränderungen wie den Eiszeit-Warmzeit-Zyklen, der sogenannten Mittelalterlichen Warmzeit oder Kleinen Eiszeit.

Die Luft an der Erdoberfläche hat sich gegenüber der vorindustriellen Zeit im globalen Mittel bereits um über 1 °C erwärmt. Ein solches Temperaturniveau gab es laut den verfügbaren paläoklimatischen Daten noch nie während der vergangenen 2.000 Jahre und sehr wahrscheinlich auch nie während der gegenwärtigen Warmzeit (dem Holozän), die vor knapp 12.000 Jahren begann — also noch nie im Laufe der Geschichte des modernen Menschen.

Quelle: Deutsches Klimakonsortium (2021)

Auch im sechsten IPCC-Sachstandsbericht von 2021 ist das eines der zentralen Ergebnisse und die Belege sind nun noch mal stärker: Der menschliche Einfluss hat das Klimasystem erwärmt, und menschengemachte Treibhausgase sind hauptverantwortlich für die globale Erwärmung und den beobachteten Klimawandel. Die Atmosphäre und der Ozean haben sich im vergangenen Jahrzehnt weiter erwärmt, die Schnee- und Eismengen sind weiter zurückgegangen, der globale Meeresspiegel ist weiter angestiegen und die Konzentrationen der Treibhausgase haben weiter zugenommen.

Oft werden die Bezeichnungen „Klimawandel“ und „globale Erwärmung“ synonym verwendet, obwohl die Gleichsetzung missverständlich ist: Der natürliche Klimawandel ist vom anthropogenen (menschengemachten) Einfluss überlagert. Die Klimaforschung sucht zu klären, welcher Anteil des beobachteten Temperaturanstiegs natürliche Ursachen hat und welcher Anteil vom Menschen verursacht wurde und weiterhin wird. Ferner ist der Begriff "globale Erwärmung" auch insofern etwas irreführend als die Temperatur nicht notwendigerweise an jedem Ort der Erde steigt. Beispielsweise würde eine durch den Temperaturanstieg verursachte massive Abschwächung des Golfstroms der Erwärmung des Nordatlantiks entgegenwirken, sodass die dortige Meeresoberflächentemperatur sogar leicht sinken könnte. Daher ist der Begriff als Erwärmung der oberflächennahen Atmosphäre im weltweiten Durchschnitt zu verstehen.

Die fortdauernde anthropogene Anreicherung der Erdatmosphäre mit Treibhausgasen (Kohlenstoffdioxid (CO2), Methan und Distickstoffmonoxid), die vor allem durch die Nutzung fossiler Energie (Brennstoffe), durch weltumfassende Entwaldung sowie Land- und insbesondere Viehwirtschaft  freigesetzt werden, erhöht das Rückhaltevermögen für infrarote Wärmestrahlung in der Troposphäre. Nach Modellrechnungen trägt Kohlenstoffdioxid am meisten zur globalen Erwärmung bei.

Und der Kohlendioxid-Gehalt der Atmosphäre nimmt stetig zu. Laut Messungen der Referenzstation Mauna Loa auf Hawai'i lag der Wert 2018 im Jahresmittel bereits bei etwa 410 ppm (NOAA). Das ist die höchste CO2-Konzentration seit mindestens 800.000 Jahren, sie liegt rund 41 % über dem vorindustriellen Niveau.

Zu den laut Klimaforschung erwarteten und teils bereits beobachtbaren Folgen der globalen Erwärmung gehören je nach Erdregion: Meereis- und Gletscherschmelze, Meeresspiegelanstieg, das Auftauen von Permafrostböden, wachsende Dürrezonen und zunehmende Wetter-Extreme mit entsprechenden Rückwirkungen auf die Lebens- und Überlebenssituation von Menschen und Tieren (Artensterben). Nationale und internationale Klimapolitik zielt sowohl auf die Abschwächung des Klimawandels durch Bekämpfung seiner Ursachen (Mitigation) wie auch auf eine Anpassung (Adaptation) an die zu erwartende Erwärmung.

Der größte Teil der globalen Erwärmung wird in den Meeren gespeichert. Seit den 1970er Jahren haben die Wassermassen der Ozeane etwa 93 Prozent der gesamten Erwärmung des Klimasystems aufgenommen. (Der Rest verteilt sich wie folgt: Schmelzen von Eismassen: drei Prozent; Erwärmung der Kontinente: drei Prozent; Erwärmung der Atmosphäre: ein Prozent.)

Jahrestemperatur im Vergleich zum Durchschnitt 1951-1980 (°C)

annual_temp_2013

2014 war es 38 Jahre her, dass ein Jahr mit kühleren als den durchschnittlichen Temperaturen aufgezeichnet wurde. Die Grafik zeigt, wie der langfristige Temperaturtrend weiter angestiegen ist, auch wenn El Niño und La Niña Ereignisse die Temperaturen in einem Jahr wärmer oder kälter machen. Orangefarbene Balken stellen die globalen Temperaturanomalien in El Niño-Jahren dar, wobei die rote Linie den längeren Trend zeigt. (Die Klassifizierung der Jahre stammt aus dem NOAA Oceanic Niño Index.) Blaue Balken stellen La Niña-Jahre dar, wobei die blaue Linie den Trend anzeigt. Neutrale ENSO-Jahre sind grau dargestellt, und die schwarze Linie zeigt den Gesamttemperaturtrend seit 1950. Beachten Sie, dass sogar die La-Niña-Jahre wärmer sind als früher.

Quelle: NASA Earth Observatory

Mögliche Auswirkungen der globalen Erwärmung auf Häufigkeit und Intensität von ENSO-Phasen werden diskutiert. Diesbezügliche Aussagen sind noch umstritten, da insbesonders die Klimamodelle zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommen (Wang et al. 2012).

"Past climates are not exact analogs for the modern world, but it is reasonable to assume that changes in the radiative balance of the earth due to anthropogenic greenhouse gas emissions could affect climatic conditions in the tropical Pacific. Using this logic, some investigators have interpreted the tendency for stronger and more frequent El Niños than La Niñas since the mid-1970s as a manifestation of global warming. This recent behavior is, however, most likely not outside the range expected for natural climate variability. Competing hypotheses, such as random fluctuations or interaction with the PDO, are equally plausible. Thus, there is no definitive evidence from the instrumental record at present for changes in ENSO behavior in response to greenhouse gas forcing.
How future global warming may affect ENSO is open to debate. The consensus outlook from the current generation of global climate models suggests no significant change in ENSO characteristics under various greenhouse gas emission scenarios that presume a doubling of atmospheric CO2 from preindustrial levels over the next 100 years. Similarly, there is no clear indication of a significant shift toward either permanent El Niño–like or permanent La Niña–like background conditions in response to doubled CO2 concentrations. However, climate models have known flaws that compromise the reliability of future projections in the tropical Pacific.
Therefore, we cannot say with confidence at present how global warming will affect either ENSO variability or the background state on which it is superimposed."

McPhaden, M. J., Zebiak, S. E., Glantz, M. H. (2006): ENSO as an Integrating Concept in Earth Science

Jüngere Studien tendieren zu einer positiven Korrelation zwischen Klimaerwärmung und steigender ENSO-Aktivität. So haben Jinbao Li et al. (2013) von der University of Hawaii versucht, die relativ kurze Datenreihe menschlicher Klimaaufzeichnungen durch die Untersuchung von Baumringen aus den Tropen und den Mittelbreiten beider Hemisphären bis auf 700 Jahre v.h. zu verlängern. Aus den 2.222 untersuchten Jahresringchronologien konnten die Forscher ableiten, dass ENSO im späten 20. Jahrhundert mit seinen extremen El Niños von 1982/83 und 1997/98 im Vergleich zu den 700 Jahren davor außergewöhnlich aktiv war - woraus sich ein Zusammenhang mit der Erderwärmung schließen lässt. Die Daten belegen eine derartige Sensibilität von ENSO auch dadurch, dass nach Vulkanausbrüchen in den Tropen, die wie die CO2-Emissionen den Strahlungshaushalt der Erde beeinflussen, der Pazifik im ersten Jahr ungewöhnlich kühl bleibt, ein Jahr später sich aber stark erwärmt. Die Ergebnisse der Studie müssen allerdings noch in Klimamodelle integriert werden, um künftig über die operationelle Vorhersage gesellschaftlichen Nutzen zu bringen. Die Baumringdaten bieten den Klimamodellen gesicherte Orientierungswerte zur Evaluierung und Perfektionierung der Vorhersagen zu ENSO unter den Bedingungen der Globalen Erwärmung.

Schwankungen des El Niño in den letzten sieben Jahrhunderten

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Quelle: IPRC (Hawaii)

 

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El Niño Variabilität, abgeleitet aus Baumringdaten (blau) und Instrumentenmessungen (rot). Die gestrichelten Linien markieren die Grenzen natürlicher Variabilität. Das jüngere El Niño-Verhalten liegt deutlich außerhalb natürlicher Schwankungsbreite.

Alte Bäume, wie z.B. Polylepis tarapacana im Altiplano, sind empfindlich gegenüber großmaßstäblichen Klimamustern, die von der El Nino-Southern Oscillation stammen.

Die Vorhersagemöglichkeit ob ENSO sich im Zusammenhang mit der globalen Erwärmung ändert, ist von großer Bedeutung für die menschliche Gesellschaft. ENSO besitzt eine beträchtliche natürliche Variabilität in Zeitskalen, die Jahrzehnte bis Jahrhunderte umfassen. Instrumentelle Wetteraufzeichnungen sind zu kurz, um beurteilen zu können, ob ENSO sich geändert hat, und bestehende Rekonstruktionen sind häufig ohne geeignete Aufzeichnungen aus den Tropen zusammengestellt.

Die Studie von Jinbao Li et al. enthält eine ENSO-Rekonstruktion über sieben Jahrhunderte, basierend auf 2.222 Baumringchronologien, die aus den Tropen (größere Höhenlagen) und den Mittelbreiten beider Hemisphären stammen.

Einer Studie von Latif et al. (2015) zufolge, die auf Berechnungen von Klimamodellen beruht, verstärkt die voranschreitende Klimaerwärmung möglicherweise das Auftreten besonders heftiger El Niño-Ereignisse. Einen Grund sehen die Wissenschaftler des GEOMAR in der zunehmenden Erwärmung des Westpazifiks bis in Tiefen von 200 Metern. Dieser Westpazifische Warmwasserkörper (Western Pacific Warm Pool , WPWP) entscheidet oftmals die Stärke von El Niño Ereignissen, was man anhand theoretischer Studien zeigen kann.

Eine ähnliche Einschätzung geben Wenju Cai et al. (2015) und erwähnen auch eine vermutliche stärkere Ausprägung der La Niña-Ereignisse, betonen aber auch die noch bestehenden offenen Fragen bei ihren Annahmen.

Die Unsicherheit über das zukünftige Verhalten von ENSO im Kontext des Klimawandels drückt M. McPhaden (NOAA), einer der renommiertesten ENSO-Forscher, mit diesen Worten aus:

"Our crystal ball is blurry when it comes to how El Niño and its impacts may change in the future." (The Carbon Brief 17.8.2015)

Viele Forscher haben zwischenzeitlich festgestellt, dass die jüngste Periode der beobachteten SST-Aufzeichnungen in wichtigen ENSO-Indexregionen, wie Niño-3.4, eine größere Schwankungsbreite aufweist als der frühe Teil der Aufzeichnungen. Die letzten 50-60 Jahre scheinen energiereicher zu sein, mit größeren Schwankungen nach oben und unten, als die 50-60 Jahre davor.

Beispielsweise erkennen Wenju Cai und Kollegen in den heutigen ENSO-Schwankungen eine Signatur des Klimawandels. Ferner gehen sie davon aus, dass die ENSO-Schwankungen im Laufe dieses Jahrhunderts wahrscheinlich noch stärker werden (um 15-20 % bei Szenarien mit hohen Emissionen), wenn die Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre weiter steigen.

Die physikalische Erklärung sehen sie in den selbstverstärkenden Rückkopplungen zwischen der Atmosphäre und dem Ozean, und diese Rückkopplungen werden in einer wärmeren Welt stärker. Bei erhöhter Treibhausgasbelastung erwärmen sich die oberen Schichten des tropischen Pazifiks schneller als der tiefere Ozean. Die wärmere Oberflächenschicht verstärkt die Niederschläge, und gemeinsam erhöhen sie die Dichteschichtung des oberen Ozeans, wodurch dieser empfindlicher auf Windeinflüsse reagiert. Dadurch wird die Kopplung zwischen Ozean und Atmosphäre stärker und die Schwankungen zwischen El Niño und La Niña werden extremer. (W. Cai et al. 2023)

Temperatur der Meeresoberfläche in der Niño-3.4-Region des tropischen Pazifiks von 1900 bis 2023

Temperatur der Meeresoberfläche in der Niño-3.4-Region des tropischen Pazifiks von 1900 bis 2023

In der obigen Grafik wurden die monatlichen Daten mit einem laufenden 5-Monats-Mittelwert geglättet, nachdem eine saisonale Klimatologie für 1981-2010 entfernt wurde. Rote Spitzen sind El-Niño-Ereignisse und blaue Talsohlen La-Niña-Ereignisse. Der ungefähre Mittelpunkt der Zeitreihe ist durch die vertikale schwarze Linie im Jahr 1960 gekennzeichnet. Der weiße Bereich zwischen ±0,5°C bedeutet neutrale Bedingungen. Die Daten stammen von HadISST, das Satelliten und andere In-situ-Beobachtungsdaten nutzt.

Quelle: NOAA ENSO Blog 2023

Die El Niño 2015 Conference am International Research Institute for Climate and Society (IRI) listete in ihrer Concluding Perspective unter anderem auch die folgenden Konsequenzen der globalen Erwärmung für das El Niño-Ereignis von 2015/16 sowie für künftige Ereignisse auf:

Global Temperature Graph 1880-Present

Temperatur der Meeresoberfläche in der Niño-3.4-Region des tropischen Pazifiks von 1900 bis 2023

Die Visualisierung zeigt den jahreszeitlichen Zyklus der Temperaturschwankungen auf der Erdoberfläche. Diese Visualisierung wird etwa zwei Wochen nach Ende eines jeden Monats aktualisiert.

Temperaturanomalien sind Abweichungen von einem langjährigen globalen Mittelwert. In diesem Fall wird der Zeitraum 1951-1980 verwendet, um die Basislinie für die Anomalie zu definieren. Diese Temperaturen basieren auf der GISS-Oberflächentemperaturanalyse (GISTEMP v4), einer Schätzung der globalen Oberflächentemperaturänderung. Die Datendatei, die zur Erstellung dieser Visualisierung verwendet wurde, ist hier öffentlich zugänglich. Die saisonalen Temperaturverschiebungen basieren auf den Daten der MERRA-2-Reanalyse hier.

Das Goddard Institute of Space Studies (GISS) ist ein NASA-Labor, das von der Abteilung für Geowissenschaften des Goddard Space Flight Center der Behörde in Greenbelt, Maryland, geleitet wird. Das Labor ist mit dem Earth Institute und der School of Engineering and Applied Science der Columbia University in New York verbunden.

Quelle: NASA SVS

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