Das ENSO-Phänomen

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ENSO-Lexikon

Erwärmungspause

Engl. global warming hiatus oder global warming pause; Begriff zur Bezeichnung einer Phase relativ stagnierender Oberflächentemperaturen zwischen 1998 und 2013, die dem Trend zur globalen Erwärmung der Erdoberfläche scheinbar widersprach.

Während die globalen Temperaturen bis weit in die 1990er Jahre markant anstiegen, wurde es seit 1998 auf der Erde im Mittel nur wenig wärmer. Dies obschon der Ausstoß an Treibhausgasen in die Atmosphäre weiter zunahm und die wissenschaftlichen Klimamodelle deswegen eine starke Erwärmung voraussagten. Klimaskeptiker nutzten den vermeintlichen Widerspruch, um den Klimawandel per se oder zumindest das Schadenspotenzial der Treibhausgase sowie die Aussagekraft der Klimamodelle in Frage zu stellen. Die Mehrheit der Klimawissenschaftler betonte derweil stets, dass sich die kurzfristige Erwärmungspause durchaus im Einklang mit der gängigen Wissenschaftsmeinung erklären lasse und einer langfristigen Erwärmung nicht widerspreche.

In einer Studie der ETH Zürich kommen Forscher zum Schluss, dass für die Pause zwei wichtige Gründe zu etwa gleichen Teilen verantwortlich sind:

Ein wichtiger Grund sind zunächst natürliche Klimaschwankungen. Die Klimaphänomene El Niño und La Niña im Pazifik sind davon die bekanntesten und bedeutendsten. Insgesamt erwärmt sich die globale Atmosphäre um circa 0.1 Grad Celsius im Jahr nach einem durchschnittlichen El Niño. Nach dem extrem starken "Jahrhundert-El-Niño" von 1997/98 lag die Erwärmung bei mehr als 0.2 Grad. Bei La Niña verhält es sich gerade umgekehrt: die kleine «kalte» Schwester führt zu einer Abkühlung des Ostpazifiks und in Folge der Atmosphäre. Das Gegenphänomen La Niña hingegen hat die vergangenen Jahre kälter gemacht, als sie ohne dieses Phänomen gewesen wären. Klimamodelle berücksichtigen zwar solche Schwankungen grundsätzlich. Es ist jedoch unmöglich vorauszusagen, in welchem Jahr diese Phänomene eintreten.

Die globale Erdoberflächentemperatur seit 1850

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Die rote Kurve zeigt jährliche Mittelwerte relativ zum Mittelwert von 1961-1990. Die horizontalen Linien zeigen Mittelwerte von Temperaturrekonstruktionen (Orange: NOAA; Blau: NASA GISS).

Die Beobachtungen zeigen, dass sich seit 1997/98 praktisch kein ausgeprägter El Niño entwickelte, während es doch einige recht starke La Niñas gab. Wenn man die globale Temperaturkurve der letzten zwei Jahrzehnte betrachtet, fällt auf, wie stark die wärmsten Jahre mit El Niños und die eher kälteren Jahre mit La Niñas zusammenfallen.

Der Auszug in der Grafik zeigt die Entwicklung der Erdoberflächen-temperatur seit Anfang der 1990er Jahre im Detail. Die roten Quadrate identifizieren Jahre, die durch El Niño geprägt sind, während die grünen solche mit La-Niña-Ereignissen bezeichnen. Die Grösse der Symbole stellt die Stärke dieser Phänomene dar.

Quelle: ETHZ Zukunftsblog

Der zweite wichtige Grund für die Klimapause ist laut der Studie, dass in den vergangenen Jahren die Sonneneinstrahlung weniger stark war als vorhergesagt. Das hat damit zu tun, dass die bekannten Schwankungen in der Intensität der Sonnenstrahlung derzeit atypisch sind: Während die sogenannten Sonnenfleckenzyklen in der Vergangenheit jeweils 11 Jahre dauerten, dauerte die letzte Periode schwacher Sonnenstrahlung aus unbekannten Gründen 13 Jahre.

Außerdem haben mehrere Vulkanausbrüche wie jener des Eyjafjallajökull in Island 2010 die Konzentration von Schwebeteilchen (Aerosol) in der Atmosphäre erhöht. Dies reduzierte die auf der Erdoberfläche eintreffende Sonnenstrahlung weiter.

Die Wissenschaftler zogen Ihre Schlüsse aus Korrekturberechnungen der Klimamodelle. Sie suchten in allen Klimasimulationen nach Zeiträumen, deren El Niño/La Niña-Muster den Messdaten der Jahre 1997 bis 2012 entsprachen. Eine Kombination von gut 20 so gefundenen Zeiträumen ließ sie den Einflusses von El Niño und La Niña realistisch abschätzen. Außerdem setzten sie in den Modellrechnungen für die Sonnenaktivität und die Aerosolkonzentration in der Erdatmosphäre rückwirkend die tatsächlich gemessenen Werte ein. Auf diese Weise korrigierte Modellrechnungen sind viel näher an den Temperaturmessdaten.

Die Gründe für die Diskrepanz zwischen Klimamodellen und Messdaten in den letzten 16 Jahren sind wahrscheinlich nicht ausschließlich darin zu suchen, dass die Modelle zu hohe Werte liefern. Kritisch hinterfragen muss man wohl auch die Interpretation der offiziellen Messdaten. Wahrscheinlich sind diese zu tief. Denn zur Berechnung der globalen Durchschnittstemperatur werden nur Messwerte von Wetterstationen am Boden verwendet, und solche gibt es nicht überall auf der Erde. So wissen Wissenschaftler beispielsweise von Satellitendaten, dass sich die Arktis in den vergangen Jahren besonders stark erwärmte. Weil es dort jedoch keine Wetterstationen gibt, fehlen Messpunkte mit besonders hohen Ausschlägen gegen oben. Die Durchschnittstemperatur wird folglich zu tief angegeben.

Britische und kanadische Forscher schlugen 2013 eine alternative Temperaturkurve vor, in die sie für Regionen ohne Wetterstationen Temperaturschätzungen von Satellitendaten einfließen ließen und die höhere Werte aufweist. Werden die Modelldaten wie von den ETH-Forschern vorgeschlagen nach unten und die Messdaten wie von den britischen und kanadischen Forschern nach oben korrigiert, stimmen Modell und Beobachtung ausgesprochen gut überein.

Auch der IPCC hielt in seinem Sechsten Sachstandsbericht (2021) fest, dass die menschengemachte Erwärmung der Erdoberfläche im Zeitraum 1998–2012 durch interne Variabilität des Klimasystems sowie Fluktuationen von solaren und vulkanischen Klimafaktoren teilweise verborgen wurde, während sich die Klimaerwärmung insgesamt weiter fortsetzte.

Trotz Klimapause gibt es keinen Anlass, an den bisherigen Berechnungen zur Klimaaktivität von Treibhausgasen und an den neuesten Klimamodellen zu zweifeln. Sobald sich Sonnenaktivität und Aerosolkonzentration in der Atmosphäre sowie Klimaphänomene wie El Niño wieder natürlicherweise den Werten früherer Jahrzehnte annähern, wird die Erwärmung wahrscheinlich weitergehen.

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