Das ENSO-Phänomen

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ENSO-Lexikon

ENSO-Diversität

Bezeichnung für die Verschiedenartigkeit der einzelnen ENSO-Ereignisse, insbesondere der Warmereignisse (El Niños). ENSO-Ereignisse unterscheiden sich in ihrer Stärke (engl. amplitude), ihrer zeitlichen Entwicklung und ihres räumlichen Musters.

Keine zwei Ereignisse sind gleich - seien sie stark, mittel oder schwach. Diese Vielfalt ergibt sich aus den unterschiedlichen Rollen des Hintergrundrauschens und der positiv und negativ gekoppelten Rückkopplungsprozesse zwischen Atmosphäre und Ozean, die dazu führen, das Wachstum der Anomalien der Meeresoberflächentemperaturen zu verstärken bzw. zu unterdrücken.

Seit der ersten Dekade dieses Jahrhunderts hat besonders die longitudinale Position der ozeanischen Erwärmung während El Niño-Ereignissen große Aufmerksamkeit erfahren. Dies liegt an den Einflüssen der Erwärmungsregion auf atmosphärische Telekonnektionen und weitere Fernwirkungen. Verschiedene Herangehensweisen, Indizes und Definitionen wurden vorgestellt, um die verschiedenen El Niño-Varianten zu kategorisieren.

Unterschiedliche Auffassungen bestehen vor allem bei der Frage, ob bei ENSO ein Kontinuum mit einigen interessanten Extremfällen vorliegt oder wegen der unterschiedlichen Lage der Aktionszentren zwei Typen von El Niño existieren (Central Pacific El Niño (CP) und East Pacific El Niño (EP)). CP El Niños sind im Allgemeinen schwach ausgebildet, wohingegen EP El Niños schwach oder stark sein können. (s. El Niño Modoki)

Die unterschiedlichen Zentren der äquatorialen Erwärmung sind verbunden mit verschiedenen Auswirkungen und Telekonnektionen. Wenn sich die zugrunde liegenden Meeresoberflächentemperaturen (SSTs) im äquatorialen Pazifik ändern, kommt es zu Verlagerungen der hochreichenden atmosphärischen Konvektion, die wiederum zu einer Anpassung der globalen Walker-Zirkulation führen und stationäre atmosphärische Wellen erzeugen, die sich auf weite Teile unseres Planeten auswirken. Diese gestörte globale Zirkulation beeinflusst die Wettervariabilität und führt zu einer massiven Reorganisation der tropischen und außertropischen Temperatur- und Niederschlagsmuster.

Daher ist es nicht nur von Bedeutung vorherzusagen, dass ein El Niño auftreten wird, sondern auch um welche Variante (‚flavor‘) es sich handelt. Allerdings ist das Verständnis der ENSO-Diversität noch begrenzt, und die Existenz von spezifischen Vorläuferereignissen (‚precursors‘) für die verschiedenen Varianten ist unklar. Das mangelnde Verständnis liegt nicht zuletzt an der relativ kurzen Reichweite der Instrumentenaufzeichnungen. Um die Datenreihe weiter in die Vergangenheit zu verlängern, werden ‚Rekonstruktions‘-Verfahren eingesetzt, die oftmals räumliche Muster verwenden, die typisch sind für aktuelle Zeitabschnitte mit dichteren Datenreihen. Zusätzlich liefern Klima-Proxies (Korallen, Baumringe, Seesedimente, Eisbohrkerne von Gebirgsgletschern) einen längerfristigen Einblick in das tropisch-pazifische Klima und in die ENSO-Variabilität vor der Instrumentenzeit.

Paläoklimatische Rekonstruktionen des ENSO-Phänomens der letzten ~10.000 Jahre zeigen ebenfalls ein breites Spektrum an Schwankungen und unterstreichen damit die Bedeutung interner Klimaprozesse bei der Steuerung der Komplexität von ENSO auf Zeitskalen von Jahrzehnten bis Jahrhunderten. Darüber hinaus zeigt die Aktivität der rekonstruierten ENSO-Variabilität eine Intensivierung im späten 20. Jahrhundert im Vergleich zu vorindustriellen Perioden und wirft damit die allgemeine Frage auf, ob externe Antriebe die Entwicklung und Amplitude von ENSO beeinflussen könnten. Wie ENSO auf die globale Erwärmung reagiert, ist eine der brennendsten offenen Fragen.

Angesichts der gesellschaftlichen und ökologischen Relevanz von ENSO ist es von größter Bedeutung, das Verständnis der Prozesse zu verbessern, die die Amplitude, den Zeitpunkt, die Dauer, die Vorhersehbarkeit und die globalen Auswirkungen von ENSO steuern.

ENSO diversity over 1980-2017

ENSO-Diversität im Zeitraum 1980-2017

(a) ENSO-Index (EPI) für den Ostpazifik (EP) gegenüber dem Index (CPI) für den Zentralpazifik (CP), gemittelt über den Zeitraum Dezember-Februar (DJF), wenn die ENSO-Ereignisse typischerweise ihren Höhepunkt erreichen, wobei die Kreisgröße der ENSO-Amplitude entspricht und die Farbe den Typ (EP, CP, EP/CP) anzeigt. 
(b)-(e) Zusammenstellung von DJF-SST-Anomalien für jede Art von ENSO-Ereignissen.
(f) SST-Anomalie über dem äquatorialen Pazifik (gemittelt über 5° S-5° N), gekennzeichnet durch verschiedene Farben, die die Ereignistypen in (a) kennzeichnen. Der EPI und der CPI basieren auf denen von Sullivan et al. (2016), definiert als Niño3 - 0.5*Niño4 bzw. Niño4 - 0.5*Niño3 (wobei die Niño-Indizes zuerst normalisiert werden). Niño3- und Niño4-Indizes sind über (5°S-5°N, 150°W-90°W) bzw. (5° S-5° N, 160° E-150° W) gemittelte SST-Anomalien. 

Ein willkürlicher Schwellenwert (Thr) kann auf die Indizes angewandt werden, um jedes Jahr in EP, CP oder eine Mischung (EP/CP) zu klassifizieren. In diesem Fall wird 0.7 der Indexstandardabweichung (sdev.) verwendet (gestrichelte Linien), wobei die extremen El Niños von 1982/83 und 1997/98 als EP-Ereignisse (dunkelrot) klassifiziert werden, bei denen EPI > EP Thr und CPI < CP Thr. Auf diese Weise können die El Niños 2015/16 und 1991/92 sowohl als EP als auch als CP (rot) klassifiziert werden, und die Ereignisse in Gelb sind CP El Niños (CPI > CP Thr, EPI < EP Thr).

Dasselbe gilt für La Niñas, jedoch mit negativen Schwellenwerten. Beachten Sie, wie sich die Ereignisklassifikation bei einer geringfügigen Verschiebung der Schwellenwerte ändern kann. Die Grösse der Kreise entspricht der Grösse der Niño3.4-Anomalie: grosse Kreise für |Niño3.4| > 1.8 sdev; mittlere Kreise für 1 sdev < |Niño3.4| < 1.8 sdev; kleine Kreise für 0.5 sdev < |Niño3.4| < 1 sdev. Graue Kreise werden als neutrale Jahre betrachtet (|Niño3,4| < 0,5 sdev). Die NOAA Extended Reconstructed SST Version 5 (ERSSTv5; Huang et al. 2017) wird in dieser Analyse verwendet, wobei lineare Trends entfernt wurden.

Quelle: Santoso et al. 2018

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